Am 14. November haben die Wirtschaftsjunioren Bayern (WJ) im Rahmen ihres Jahresthemas „Führung 4.0: Effektive Führung im Wandel“ den New Work Day Bayern im Ludwig-Erhard-Zentrum (LEZ) Fürth abgehalten. Vor rund 100 Gästen führten Marlen Wehner, amtierende Landesvorsitzende der WJ, Andreas Zacherl, Landesvorsitzender ab nächstem Jahr, sowie Sebastian Döberl, stellvertretender Bundesvorsitzender der WJ, durch den Abend sowie das Thema. Grußworte kamen von Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, in Form einer Videobotschaft und von Horst Müller, Wirtschaftsreferent der Stadt Fürth. Die Keynote und damit Kern der Veranstaltung war der Vortrag „Unfuck the Economy – even better: the World!“ von Waldemar Zeiler von Einhorn aus Berlin. Und damit in medias res.
Das Konzept New Work …
… bezeichnet die neue Arbeitsweise im globalen und digitalen Zeitalter. Der Begriff wurde vom Sozialphilosophen Frithjof Bergmann geprägt, der sich damit in den 1980er Jahren in seiner Forschung zum Kapitalismus beschäftigte. Diesen Hintergrund thematisierte Herr Zeiler bei seinem Vortrag im LEZ als Lehrstätte der Genese und Schutzbedürftigkeit der Sozialen Marktwirtschaft jedoch nicht. Vielmehr reduzierte er New Work auf „mit gesundem Menschenverstand eine Firma heute führen“. Treffend, den Hype aus dem Thema nehmend und sehr charmant! Nach dieser Erdung führt er aus, was New Work bei Einhorn ganz konkret ausmacht/e: So wie ich das verstanden habe war die Idee bei Einhorn, sowohl mit dem Produkt (am Anfang nur das Kondom) als auch dem Unternehmen eine konsequente Nachhaltigkeit zu leben und damit bei jeder Unternehmensentscheidung in die eigene DNA zu manifestieren. Das hat im Umkehrschluss ausgeschlossen, Investoren oder andere Zwänge zuzulassen. Möglichst „unvernünftiges“ Tun wurde zum Führungsprinzip, weil nur das eine Andersartigkeit produzierte, die Einhorn vom Hersteller zu einer Bewegung/einer Community machen ließ. Freie Wahl von Urlaubszeit und Entlohnung, freien Zugriff auf (gewollte!!) psychotherapeutische Begleitung, Selbstbestimmtheit bis hin zu komplett nicht-weisungsgebundenen Mitarbeitern und v.a. eine umfassende Diversity führten nicht nur zu Kondomen in Chipspackungen, sondern überhaupt erst zu Periodenprodukten (vulgo Damenhygieneartikel) i.V.m. beispielsweise Kampagnen zur Herabsetzung des Mehrwertsteuersatzes auf diese. Eingedampft wurde das dann auf die drei Führungsprinzipien
- Fairstainable – als Mischung von Fair Trade und Sustainable,
- Unicornique – seid unvernünftig,
- Fight & Hug – Diversität, bis es einen fast zerreist, um dann (psychotherapeutisch begleitet, s.o.) doch wieder zueinander zu finden.
Und das wiederum führte ungewollt zu dem Einhorn-Produkt „Consulting“. Alles zusammen mit einem Ergebnis: Keine Esoterik, sondern schlichtweg mehr Umsatz! Überzeugend, was Purpose sowie Selbstständigkeit, Handlungsfreiheit, Selbstverwirklichung und Teilhabe an der Gemeinschaft als die zentralen Werte von New Work ausmachen können. Konsequenterweise aber dann auch mit einem Unternehmenskonstrukt, dass nicht dem Management, also ihm und seinem Mitgründer Philip Siefer, diesen Unternehmensgewinn allein zukommen lässt, sondern mit einer Purpose-Stiftung, die die Mitarbeiter miteinbezieht. Geschlossen hat er mit dem Hinweis und dem Aufruf, ab nächsten Donnerstag, 21. November, Karten für ein „Unfuck the World“ im Berliner Olympiastadion für den 12. Juni 2020 zu kaufen, um mit diesem Crowdfunding-Ansatz die 1,7 Mio. Euro Stadionmiete zu finanzieren. Programm, Idee und Auftrag dieses Events wird es sein, mit den Anwesenden eine Vielzahl von Petitionen an die Politik zu produzieren, die das erforderliche Quorum von 50.000 abgegebenen Unterstützerstimmen sofort nehmen, um so systemimmanent das System zu hacken. Chapeau!
Dann hat Evi Kurz, Vorsitzende des Ludwig-Erhard-Initiativkreis Fürth e.V. , das Konzept des LEZ vorgestellt, bevor es in die New Work Lounge mit verschiedenen Info-Inseln und mit kompetenten Ansprechpartnern ging. Ich habe die Zeit allerdings mit Networking verbracht. Nach einer Stunde war dann wieder gemeinsames Zusammenfinden zu einer abschließenden Podiumsdiskussion.
Outro
Die ganze Veranstaltung (als komplette New Work-Stehung!) war sehr gelungen, der Jahrestitel der WJ „Effektive Führung im Wandel“ wurde eingehalten und das Konzept mit der interaktiven „Pause“ ging auf. Herr Zeiler als Haupt-Act war wirklich klasse. Vielleicht ist diese Einschätzung aber auch ein Stückweit der Perspektive geschuldet, aus einer anwesenheitsorientierten Arbeitsorganisation zu kommen. Das Dogma, programmatisch in allen Belangen immer alles anders zu machen und dabei gerne und oft zu scheitern, funktioniert eben auch nur in Opposition zum Mainstream. Wie (IHK-)formale duale Berufsausbildung mit New Work zusammengehen kann, war in seinem Vortrag beispielsweise nicht thematisiert. Berufsausbildung würde aber sicher Bestandteil eines ludwigerhard’schem-soziale-marktwirtschaft-systemerhaltenden „Fairstainable“ sein. Wo ist also die Freiburger Schule bei New Work? Fazit: Über all das muss ich nochmal nachdenken. Ich hatte aber definitiv einen inspirierenden Abend mit den Vortragenden, mit den Vertretern der „Jungen Wirtschaft“ (U40-Unternehmern und Führungskräften), aber auch mit Kollegen der IHK sowie der Shiftschool in dem sensationellen Ludwig-Erhard-Zentrum. Danke an die Veranstalter!
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